Adidas in der Corona-Krise: Darum ist ein Boykott der Marke Adidas richtig
Er brachte Gegner wie Boris Becker oder John McEnroe mit seinem stoischen Grundlinienspiel und seiner maschinenhaften Fitness zur Weißglut. Er war insgesamt 270 Wochen lang die Nummer 1 der Weltrangliste und gewann je dreimal in Roland Garros und Flushing Meadow, dazu noch zweimal bei den Australian Open.
Viele Kritiker bezeichneten sein Tennisspiel als langweilig. Und auch als „Typ“ wirkte Ivan Lendl – der nach seiner aktiven Zeit als Tennisprofi eine Weil Coach von Alexander Zverev wurde – irgendwie fade, trocken, unnahbar und unsexy. Dazu passte das Tennis-Outfit, das eigens von seinem Ausstatter für ihn kreiert wurde. Ausgestattet wurde Ivan Lendl während seiner gesamten aktiven Zeit vom deutschen Sportartikelhersteller Adidas.
Ivan Lendl und Adidas passten optimal zusammen: Denn auch Adidas war (oder ist?) für viele Sportler und Tennisspieler der Inbegriff von „Langeweile“, „Hässlichkeit“ und „deutscher Spießigkeit“. Die Adidas-Produkte (wie z.B. Tennisschuhe und damals auch noch Tennisschläger) waren zwar überwiegend hochwertig, aber sexy und cool waren sie zumindest damals nicht.
Geld regiert auch die Tennis-Welt von Adidas & Co.
Adidas hat eine Menge Geld für Marketing, Sponsoring und Image-Bildung ausgegeben, um endlich cooler, junger und frischer rüberzukommen. Sog. Next Gen-Tennisprofis wie Alexander Zverev, Dominic Thiem oder Stefanos Tsitsipas wurden unter Vertrag genommen und mussten fortan in Adidas-Klamotten und mit Adidas-Schuhen spielen, wofür sie eine Menge Geld bekamen und bekommen.
Die Marketing-Strategen in Herzogenaurach verfolgen dabei alle möglichen Wege, um die Marke zu positionieren. Nachhaltigkeit und Umweltschutz waren und sind dabei natürlich auch wichtige, weil erfolgs- und absatzversprechende Themen. Zum Beispiel die Kollektionen Adidad Parley. Auch Deutschlands Tennis-Blog your-tennis.de hat sich vor einiger Zeit gefragt, ob es sich bei den Tennis-Outfits und Tennisschuhen aus Plastikmüll wirklich um einen Beitrag für die Umwelt oder nur ein Marketing-Gag handelt.
Und natürlich hat der von dem 58-jährigen Adidas-Chef Kasper Rorsted geleitete Sportartikel-Konzern in den letzten Jahren unzählige Kooperationen, Sponsorings und Partnerschaften mit DJs, Musikern und Künstlern gestartet, um der einst so angestaubten Marke ein jugendliches, frisches, outlaw-styliges Street-Image zu verpassen.
Adidas verbucht Milliarden-Gewinne – aber für die Miete reicht es nicht?
- Alle diese Maßnahmen haten scheinbar Erfolg: Im vierten Quartal des letzten Jahres betrug der Nachsteuergewinn im fortgeführten Geschäft 181 Millionen Euro nach 93 Millionen, der Umsatz betrug 5,84 Milliarden, währungsbereinigt ein Plus von 10 Prozent im Vergleich zu 2018.
- Im Gesamtjahr 2020 betrug bei Adidas der Nachsteuergewinn 1,918 Milliarden Euro, ein Plus von 12 Prozent. Enthalten ist hier eine Belastung von 54 Millionen Euro aus der Erstanwendung des Rechnungslegungsstandards IFRS 16.
- Bereinigt um diesen Effekt betrug der Nachsteuergewinn 1,972 Milliarden Euro. Nach Steuern und Dritten betrug der Gewinn 1,976 (1,71) Milliarden Euro.
- Der Umsatz betrug 23,6 (21,92) Milliarden Euro, währungsbereinigt ein Plus von 6 Prozent.
Obwohl natürlich Adidas-Chef Kasper Rorsted klagen muss, wie sehr die Corona-Krise auch sein Unternehmen treffe (was natürlich auch stimmt) – die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres beweisen, dass genügend Rücklagen vorhanden sind. Anders sieht es bei vielen Vermietern von Adidas-Stores in Deutschland aus, die oftmals ihre Immobilien noch abbezahlen müssen. Und auch deshalb dringend auf die Adidas-Mietzahlungen angewiesen sind.
Soziale Verantwortung? Bei Adidas scheinbar nicht sehr ausgeprägt
Adidas selber begründet seine Miet-Weigerung nicht sehr überzeugend mit dem lapidaren Hinweis, dass der Umsatz in der Corona-Krise stark zurückgegangen sei. Das ist natürlich richtig, betrifft aber auch jeden anderen Einzelhändler, Dienstleister, Tennistrainer usw. Dass die derzeitige Situation aber auch erheblichen Einfluss auf die zigtausenden Näherinnen in Bangladesch und vielen anderen Niedriglohn-Ländern der Welt, wo ansonsten fleißig für niedrigste Löhne für Adidas gefertigt wird, betrifft, wird von der Adidas-Leitung nicht erwähnt.
Auch deshalb ist es nur richtig und konsequent, dass die Ankündigung von Adidas wegen der Coronakrise die Mietzahlungen für seine Läden zu stoppen, so Boykott-Aufrufen und einem wahren Shitstorm im Internet sorgt.
Auch die Politik kritisiert Adidas deutlich
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der „Bild“: „Ich bin enttäuscht von Adidas. Ich bin sehr enttäuscht.“ Die Ankündigung des Konzerns sei eine völlig inakzeptable Botschaft, so Scheuer. Adidas habe in den vergangenen Jahren große Gewinne gemacht. „Es sind ja nicht nur die großen Immobilieneinrichtungen, sondern auch kleine, die als Privatpersonen an Adidas vermieten – und die bleiben dann auf ihren Kosten sitzen“, sagte Scheuer.
Neben dem Sportartikelhersteller haben auch Handelsketten wie Deichmann und H&M sowie Konkurrent Puma die Mietzahlungen eingestellt. Die Kritik richtet sich aber vor allem gegen den Sportartikelhersteller. So empört sich auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD): „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.
Und was können wir Tennisspieler, Sportler und Verbraucher machen? Einiges! Denn zum Glück sitzen wir am längeren Hebel und können beim Einkauf entscheiden, ob wir noch Adidas-Artikel kaufen wollen …