Was sind die wahren Hintergründe der geplanten Reform des Leistungsklassen-Systems 2018?
In seiner aktuellen Mitteilung spricht der Deutsche Tennis Bund (DTB) von einer „guten Nachricht für alle Tennisspieler an der Basis“. Denn der DTB wird 2018 das „bestehende LK-System reformieren, um eine noch bessere Vergleichbarkeit aller Spielstärken zu erreichen.“ Und als i-Tüpfelchen auf der Spieler*innen-Verständnis-Schiene will der DTB eine Online-Umfrage starten, bei der Änderungsvorschläge eingereicht werden können. Das klingt auf den ersten Blick sehr Basis-orientiert, aber geht es dem DTB wirklich zuallererst um die vielen Spieler auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Verbandsebene? Nicht nur Turnierveranstalter und Kenner der nationalen Tennis-Landschaft haben ihre Zweifel …
Das LK-System ist (auch) eine große Geldquelle, die der DTB erst spät für sich entdeckt hat.
Fest steht: Das zunächst nur von den Landesverbänden einzeln eingeführte LK-System wird grundsätzlich von einer Mehrzahl der Tennisspieler befürwortet. „Mauscheleien“ bei den Mannschaftsmeldungen im Sommer und Winter sollen vermieden werden, Tennisspieler aller Alters- und Leistungsklassen haben einen neuen Anreiz für die Teilnahme an Meden- bzw. Punktspielen oder Pokalrunden sowie Turnieren. Eine Entwicklung, die auch der DTB erkannte; aber erst später mit der Einführung der Nationalen Tennisdatenbank (NTDB) verbandsübergreifend förderte.
Die Idee: Jeder Teilnehmer eines LK-Turniers zahlt fünf (Erwachsene) bzw. drei Euro (Jugendliche) an den DTB
Und auch ein anderes Potential des LK-Systems entdeckte der DTB erst relativ spät für sich: Nämlich die Chance, mit jedem einzelnen Teilnehmer eines LK-Turniers Geld zu verdienen. Viel Geld sogar.
Denn das LK-System war auch die Geburtsstunde der LK-Turniere. Die Resonanz der circa 60.000 aktiven Turnier-Spieler*innen in Deutschland war so groß, dass manche Turnierveranstalter inzwischen sogar hauptberuflich diese Ein- oder Zwei-Tages-LK-Events anbieten.
Davon will natürlich auch der DTB profitieren und beschloss am 20.11.2016 eine verbindliche Zwangsabgabe für jeden Teilnehmer bei LK-Turnieren: Einführung eines Teilnehmerentgeltes bei LK-Turnieren für Erwachsene in Höhe von 5,- Euro, bei Jugendlichen in Höhe von 3,- Euro. Außerdem wurde gleich auch das Teilnehmerentgelt bei Ranglistenturnieren U21 und älter von 5,- auf 8,- Euro erhöht, und die Einführung einer neuen DTB-Abgabe bei Jugendranglistenturnieren von 5,- Euro beschlossen.
Im Tennis zählt nicht nur der gute Wille: Probleme und Proteste rund um die „Zwangsabgabe“
Die Idee und der Verwendungszweck dieser Zwangsabgabe für Turnierspieler sind durchaus sinnvoll, wie DTB-Präsident Ulrich Klaus erklärt: Weiter geht`s unter den Tennisschuhen ...
„Um die Vereine und damit die wichtige Basis für das deutsche Tennis zu stärken, haben sich das Präsidium und die Verbandspräsidenten gemeinsam darauf verständigt, die notwendige Finanzierung nicht über eine allgemeine Beitragserhöhung sicherzustellen.“
Ein Problem beim Einsammeln des Geldes hat Ulrich Klaus aber vergessen: Zwar werden alle Ranglistenturniere zentral beim DTB verwaltet, die mehr als 6.000 bundesweiten LK-Turniere pro Jahr „liegen“ aber bei den einzelnen Landesverbänden. Die Folge: Die Turnierveranstalter müssen das Geld bei den Spielern abkassieren und irgendwie an den DTB weiterleiten. Das ist auch deshalb schwierig, weil die Turniereinahmen mit bei der Umsatzsteuer mit 19 Prozent angesetzt sind, der DTB diese Position mit 7 Prozent in Rechnung stellt …
Totengräber des Turnier-Tennis für Amateure?
Auch weil der DTB seine Zwangsabgabe für LK-Turniere nach Ablauf der Meldefrist für die diesjährigen Events beschloss, sind viele Veranstalter verärgert. Nicht zuletzt, weil durch das höhere Startgeld die Teilnehmerzahlen bei den meisten Turnieren sinken: „Der Deutsche Tennisbund ist der Totengräber der Turnierlandschaft“, erklären Frercks Hartwig und Mario Bross vom Head-TMS-LK-Turnierservice im Schwarzwälder Bote.
Dass die beiden Turnierveranstalter mit ihren Befürchtungen nicht alleine sind, beweist auch eine von Oliver Schmidt gestartete Online-Petition an die Landesverbände und DTB mit dem Namen „Wir sind gegen die Einführung des Turnierspielerentgeltes beim DTB“. Fast 2.000 Spieler*innen unterschrieben bisher die Online-Aktion, das mediale Echo in Tennis-Zeitschriften und in sozialen Netzwerken ist groß – aber eine Reaktion vom DTB oder von den Landesverbänden: Bisher Fehlanzeige!
Wenn Vielspieler aber leider auch Schummler belohnt werden …
Die Nachteile des LK-Systems sind natürlich auch dem DTB bekannt: Wenn ein wirklich starker Spieler nur ein paar Matches pro Jahr bestreitet, wird er nur schwer seine „wahre“ LK erreichen – mitunter sogar nie die „20er LKs“ verlassen können. Um wirklich im LK-Ranking zu steigen, braucht es viele Spiele und viele Siege.
Bei vielen LK-Turnieren werden von „besseren LKs“ Spiele abgeschenkt, da sich eine Niederlage nicht negativ auf das eigene Punktekonto auswirkt. Auch wenn das im Sinne des Tennissports und für beide Beteiligten keinen Sinn macht, gehört dies bei vielen LK-Turnieren zur Tagesordnung, wie uns Turnierveranstalter u.a. vom Mittel- und Niederrhein erzählen.
Wie soll das neue LK-System aussehen?
Das neue System soll das jeweilige realistische Leistungsniveau der Spieler besser abbilden. Und es „soll ...
... den Spielern in den verschiedenen Landesverbänden durch die Reform des LK-Systems eine noch bessere Vergleichbarkeit ihrer Spielstärken ermöglichen“, erklärt Bernd Greiner, der DTB-Vizepräsident für Wettkampfsport. Ein wichtiger Schritt, denn heute beklagen vor allem Spieler aus den Bundesliga-Hochburgen Niederrhein und starken Verbänden wie Bayern oder Württemberg ein großes Leistungsgefälle zwischen den einzelnen Regionen.
Die wichtigsten geplanten Änderungen des LK-Sytems:
- Stärkere Berücksichtigung der Doppel-Ergebnisse – evtl. durch eine eigene Doppel-LK
- LK-Berechnung und -Anpassung mehrmals im Jahr
- Mögliche „softe“ Berücksichtigung von Niederlagen
- Dabei soll ein „Sicherheitskoeffizient" Resultate gegen völlig falsch eingestufte Spieler abfedern
- Automatische altersgemäße Anpassung von Jugendlichen und Senioren
- Übernahme von Spieler*innen-Vorschlägen aus der ab August geplanten Online-Umfrage des DTB
Wird der DTB ein ganz neues System erfinden?
Nein, ein ganz neues LK-System soll in Deutschland nicht erfunden werden, erklärt DTB-Vizepräsident Bernd Greiner. Der DTB hat sich die Systeme anderer Länder angeschaut, da hier teilweise vieles besser als im DTB läuft: „Das österreichische ist mit unseren Vorstellungen am besten kompatibel. Wir planen deshalb, gewisse Inhalte zu adaptieren – ohne jedoch das gesamte Modell zu übernehmen“, so Greiner weiter.
Was sind die Vorteile des österreichischen LK-Verfahrens?
Eine der Besonderheiten des ITN Austria-Verfahrens tritt dann in Aktion, wenn niemand auf den Tennisplätzen ist: Sofern z.B. die Turnierveranstalter die Ergebnisse zeitnah eingeben, berechnet das IT-System jede Nacht die Spieler-Wertungen neu, so dass sie bereits am Folgetag in die entsprechende Leistungsklasse einfließen und diese sofort verändern!
Im Viertelfinale als LK 8, im Halbfinale bereits als LK 6 antreten
Die österreichische ITN-Nummer garantiert u.a. eine Berechnung der persönlichen Leistungseinstufung in Echtzeit. Bezogen auf das deutsche LK-System würde dies also z.B. bedeuten: Am Freitag holst Du Dir im Viertelfinale eines Turniers als LK 8 Deinen dritten Sieg gegen einen Spieler mit der LK 6. Am Samstag würdest Du das Halbfinale dann bereits selber als LK 6 bestreiten …
Auch Niederlagen werden berücksichtigt
Außerdem wirken sich in Österreich – wenn auch nur in „softer Form“ – Niederlagen auf die jeweilige Leistungsklasse aus. Zudem hat jeder Spieler die Möglichkeit, pro Jahr eine gewisse Zahl von Streichresultaten geltend zu machen. Ein sog. Sicherheitskoeffizient soll durch entsprechende Multiplikation zudem bewirken, dass falsch eingestufte Spieler schneller in Richtung ihres realistischen Wertes eingestuft werden.
ITN-Wertung der Einzel-LK auch durch Doppel-Ergebnisse
Seit 2014 werden auch Doppel-Matches für die Einzel-Spielstärke gewertet. Die jeweilige Veränderung durch Siege oder Niederlagen ergibt sich dabei aus dem jeweiligen ITN-Mittelwert der Doppelpaarungen und errechnet sich dann gleich wie im Einzel. Die Veränderungen nach oben bzw. unten werden bei allen Spielern dann jeweils zu 25 Prozent angerechnet!
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